Über das Vertrauen



Wäschewaschen ist in Indien ein großes Thema. Vielleicht nicht für die hier lebenden Menschen, aber definitiv für mich, deren saubere Wäsche durch all den Schweiß und Staub und Schmutz rapide schwindet. Natürlich könnte ich von Hand waschen, machen auch einige von uns, will ich aber nicht. Zumindest nicht jeden Tag. A) wegen der eingeschränkten räumlichen und zeitlichen Kapazitäten, B) weil ich aus dem Waschen sonst nicht mehr herauskäme, C) weil es gefühlt nie richtig sauber wird. Für manches braucht es einfach Waschmittel und warmes Wasser und eine Waschtrommel. Oder zumindest einen ordentlich großen Waschzuber.

Als wir am Samstag in Delhi ankamen, war mein erklärtes Ziel also, noch vor Nahrungsaufnahme, saubere Kleidung. In der Theorie hätte das Hotel Abhilfe schaffen können. Jenes war dank Fünf-Sterne-Deluxe-Klasse aber derart überteuert, dass ein Sack voll Wäsche ein kleines Vermögen gekostet hätte. Also begab ich mich am Sonntag – nachdem Versuch Nummer eins am Abend zuvor kläglich gescheitert war, weil das Vorhaben wider Erwarten in eine Gruppenaktivität ausartete und wir viel zu spät dran waren – auf die Suche nach einem Wäscheservice. Allein. Und diese Suche hat mich eine Lektion über Vertrauen gelehrt. Im positiven Sinne.

Auf dem Rückweg von unserer Tour durch Old Delhi, sprang ich an einer Kreuzung aus dem Taxi und wollte geradewegs die Wäscherei ansteuern, die ich mir vorab so schön herausgesucht hatte, als mich ein Herr anhielt und sagte, es gebe eine Straßensperre. Weiterkommen unmöglich. Ich schaute auf die anvisierte Seite der Kreuzung. Gesperrt, ja. Aber waren da nicht Fußgänger? Erster Moment der Skepsis. Ein zweiter Herr gesellte sich dazu, bestätigte die Geschichte. Ich überlegte bereits, wie ich mich galant aus der Situation herauswinden könne. Wohin ich denn wolle …

„Ich suche eine Wäscherei.“
„Ich weiß, wo eine ist.“
„Echt? Super! Hier in der Nähe?“
„Ja, ganz in der Nähe. Ich kann dir zeigen, wo sie ist.“
„Danke, das ist nicht nötig. Wie weit ist es denn von hier?“
„Ein paar Straßen weiter. Komm, ich bring dich hin.“ (Fingerzeig auf seine Rikscha, langsam fallender Groschen)
„Nein, nein. Das ist nicht nötig. Ich kann auch laufen.“
„Komm. Ich fahre dich.“
„Das ist wirklich nicht nötig. Ich habe auch kein Geld.“
„Das ist schon okay. Ich fahre dich.“
„Aber ich habe kein Geld.“
„Du brauchst mir nichts geben. Du bist wie meine Schwester. Komm, ich fahre dich.“

Und so, mit der Aussicht auf einen vierten Bruder, warf ich die verbleibenden Bedenken über Bord und stieg in die Rikscha. Zweiter Moment der Skepsis. Es war zwar mitten am Tag, aber ich war allein und wusste nicht, wohin genau wir fuhren. Bevor die Zweifel aber zu sehr nagen und mich in eine unüberlegte Kurzschlusshandlung treiben konnten, hielten wir auch schon in einer kleinen Straße unweit des Hotels. Vor einem Büro für Tourismus. Wir gingen hinein, und mein neuer Bruder erklärte den dort arbeitenden Herren die Wäsche-Problematik. Es ging ein wenig hin und her. Dann sagten sie, ich könne meinen Beutel da lassen und spätestens zwei Tage später wieder abholen. Ich sollte noch die Anzahl der Teile angeben (öffentliches Schlüpfer-Zählen vor Männern, welch wunderbarer Moment), bekam eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und verließ, in der Annahme, meine geliebte Kleidung nie wiederzusehen, das Büro.

Und heute, nur einen Tag später, erhielt ich einen Anruf und die Nachricht, dass meine Wäsche fertig sei. Und das war sie in der Tat. Frisch duftend, fleckenlos und gebügelt. Und vollständig bis auf eine Unterhose. Obwohl es auch sein könnte, dass ich mich in all der Aufregung verzählt habe. Und falls nicht erfreut sich fortan irgendjemand anderes daran.

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